Gerhard Rohn

Die Geschichte des Math.-Nat. Gymnasiums

 

Ein Jahrhundert Math.-Nat. Gymnasium – Neubeginn oder Fortführung?

 

Aus dem Schulleben

 

In den letzten 25 Jahren entfaltete das Math.-Nat. Gymnasium Aktivitäten, die es weit über die Grenzen der Region bekannt machten und seinen Ruf als liberales, dem europäischen Gedanken verpflichtetes Gymnasium begründeten. Dies war das Verdienst des Schulleiters und engagierter Kollegen. Durch einen Zufall entwickelte sich das „Fünf-Länder-Treffen”, das 1985 sein zwanzigjähriges Bestehen in Mönchengladbach feiern konnte. Die Schulen Sint-Hubertuscollege Neerpelt (Belgien), Städt. Math.-Nat. Gymnasium Mönchengladbach (Bundesrepublik Deutschland), Institution Notre-Dame des Anges Saint-Armand-les-Eaux (Frankreich), Lycee classique Diekirch (Luxemburg) und R. K. Middelbaar Onderwijs Weert (Niederlande) gaben ihren Treffen eine Satzung (Juli 1967) in Robertville (Belgien). Dabei legten sie den Namen „Europäische Jugend-Gemeinschaft” und ihre Zielvorstellungen

  • Förderung der Einheit und des Verständnisses zwischen europäischen Jugendlichen und ihren Erziehern,
  • Pflege inner- und außerschulischer Freizeitkontakte mit dem Ziel, auch nach Abschluß der Schulzeit weiterhin einander zu begegnen und miteinander in Kontakt zu bleiben, fest.

Seit 1978 gehört das Math.-Nat. Gymnasium durch Vermittlung des Schulleiters W. Schafhaus zu den wenigen Schulen der Bundesrepublik, die alljährlich Schüler aus aller Welt im Rahmen des „Pädagogischen Austauschdienstes” betreuen dürfen. Auf Beschluß des Schülerrates und unter Leitung des Studienrates R. Jansen wird seit 1984 eine Pfarrei in Arequipa (Peru) in ihrer caritativen Tätigkeit unterstützt.

 

Studiendirektor Hackemann organisiert seit langer Zeit einen Wohltätigkeitsmarsch, der alle zwei Jahre mit dem Gymnasium am Geroweiher stattfindet. Die Spenden (insgesamt sind es bei den 9 Veranstaltungen fast 300.000 DM), die die Schüler des Math.-Nat. Gymnasiums erwandern, bekommen der Verein zur Förderung und Betreuung spastisch gelähmter Kinder und andere soziale Einrichtungen.

 

Auf Initiative von Oberstudienrat B. Schäferhenrich finden seit dem Schuljahr 1979/80 alljährlich Winterklassenfahrten für alle Schüler der Klassenstufe 10 statt, bei denen sie an einem 10 tägigen Skikurs in Alpinskilauf oder Langlauf teilnehmen.

 

Die Studienfahrten der Jahrgangsstufen 12 ins Ausland haben bereits Tradition. Bemerkenswert war eine l0tägige Studienfahrt nach Moskau zu einer Zeit, als Fahrten in östliche Staaten noch völlig ungewöhnlich waren. Die Moskaufahrt (1970), die auf Anregung von Studienrat A. Ungerechts durchgeführt wurde, erregte so viel Aufmerksamkeit, daß die heimische Presse ausführlich darüber berichtete.

 

Ein Jahrhundert Math.-Nat. Gymnasium

 

In Mönchengladbach gab es eine der SPD nahestehende Initiative von Gesamtschulbefürwortern, die vom Rat der Stadt forderten, er sollte für die Gesamtstadt (Mönchengladbach-Rheydt-Wickrath) die Errichtung einer Gesamtschule beschließen. Die CDU, die im Rat bisher stets die Mehrheit besaß, konnte jedoch keinen Bedarf für diese Schulform erkennen, außerdem hielt sie diese Schulform für einen „pädagogischen Irrweg”. Zwar war vom Kultusminister des SPD-geführten Landes Nordrhein-Westfalen mehrmals darauf hingewiesen worden, daß die Gesamtschule nach der Änderung des Schulverwaltungsgesetzes vom 21. Juli 1981 (GV. NWS. 402) als gleichberechtigte Schulreform neben Hauptschule, Realschule und Gymnasium eingeführt worden war und daß die Gemeinden nach § 10 des Schulverwaltungsgesetzes verpflichtet waren, festzustellen, ob ein Bedürfnis für diese Schulform besteht, aber angesichts der Sachverständigenurteile (u.a. Hitpaß, Die Gesamtschule – die Schule der Zukunft?, Freiburg 1971 – Stellungnahme der Professoren Dr. Heckhausen und Dr. Wottawa zum Abschlußbericht der wissenschaftlichen Beratergruppe Gesamtschulversuch Nordrhein-Westfalen – sog. Fend/Raschert-Bericht) kam die CDU zu dem Ergebnis, daß die Gesamtschule „weder gerechter noch sozialer sei”, daß sie vielmehr der Versuch sei, das bewährte gegliederte Schulsystem in Richtung „Einheitsschule” zu unterlaufen. Ihre Argumentation gegen die Gesamtschule stieß aber beim Düsseldorfer Regierungspräsidenten auf „taube Ohren”. In einem Schreiben vom 6. 11. 84 weist er den Oberstadtdirektor daraufhin, daß nach „landesweiten Erfahrungen . . . sich mindestens 20% der Schüler eines Jahrgangs dafür (entschieden), ein vorhandenes Gesamtschulangebot zu wählen.” Bei dieser Rechtslage blieb der CDU nichts anderes übrig, als einer Elternbefragung der Abgänger der Primarstufe (4. Klasse der Grundschule) zuzustimmen. Bei dieser Befragung der Eltern der 4. Grundschulklassen hatten 50% den Fragebogen zurückgeschickt, obwohl von interessierter Seite am Befragungstag vor den Schultoren massiv „Aufklärung über die Gesamtschule” betrieben wurde. Es gaben 170 Eltern an, daß sie für ihre Kinder eine Gesamtschule wünschten, davon waren 12 Auswärtige. Diesem Elternwunsch konnte sich auch die CDU nicht verschließen, zumal sie bei den Kommunalwahlen 1984 ihre absolute Mehrheit verloren hatte und auf eine Koalition mit der FDP angewiesen war. Für die nun zu errichtende Gesamtschule war seitens der CDU aber kein Standort vorgesehen, ein Neubau war angesichts der angespannten Finanzlage der Stadt aber nicht möglich.

 

Am 29. 10. 84 beantragte die SPD die Errichtung einer Gesamtschule, dabei wurde sie von der GAF unterstützt. Unter Punkt 25 -Antrag der SPD – beschloß der Rat, „daß er beabsichtigt, eine vierzügige Gesamtschule mit Sekundarstufe I und II als Ganztagsschule ab Schuljahr 1986/87 einzurichten . . . Über die endgültige Unterbringung der Gesamtschule wird im Rahmen der Beratung über den Schulentwicklungsplan beraten und beschlossen.” (Auszug aus dem Protokoll der Ratssitzung vom 12. 12. 1984) Bei der Suche nach einem geeigneten Standort war die SPD nicht müßig. Die Zeitungen berichteten am 23. 2. 85:

  • SPD: Gesamtschule ins „Math.-Nat.” Diese Nachricht war für alle Betroffenen ein Schock, zumal die Pläne der SPD noch weitergingen: Gesamtschule ins Math.-Nat. Gymnasium
  • Marienschule ins Stift. Hum. Gymnasium
  • beide Gymnasien – Math.-Nat. und Stift. Hum. auflösen. (Protokoll der SPD-CDU-Kommission vom 18. 5. 1985)

Die CDU lehnte dieses Vorhaben rigoros ab und entsprach damit den Elternwünschen tausender betroffener Schüler. „Für eine Schulform, von der nicht einmal sicher ist, ob sie von den Eltern (wirklich) gewünscht wird, kann man nicht zwei traditionsreiche Gymnasien in Frage stellen.”

 

Die Mißachtung demokratischer Mehrheiten zugunsten einer Minderheit rief die betroffenen Schulleitungen und die Elternschaft auf den Plan. Um das Math.-Nat. zu erhalten, wandten sich die organisierte Elternschaft (Elternvertreter der Schulkonferenz) und die Schulleitung in mehreren Briefen an die größte Ratsfraktion, „damit die CDU-Fraktion sich nicht daran beteiligt, das schülerstärkste Gymnasium kurz vor der Feier seines 100jährigen Bestehens zu zerstören.” (Brief der Schulpflegschaft des Math.-Nat. Gymnasiums, 03.03.85)

 

Die CDU und die FDP respektierten den erklärten Elternwillen in ihren Vorüberlegungen zur entscheidenden Ratssitzung. Über das Ergebnis dieser Sitzung berichtete die Westdeutsche Zeitung am 8. Juni 1985 in einem Kommentar unter der Überschrift „Der Zug ist abgefahren”:
„Die Weichen für die Zukunft der Gesamtschule sind gestellt. Dafür sorgten FDP und CDU in der jüngsten Sitzung des Schulausschusses. Doch der Zug namens Gesamtschule wird nun eine andere Richtung nehmen, als es die engagierte Befürworterin dieser Schulreform, die SPD, wollte. Die Sozialdemokraten waren es, die monatelang mit Standortüberlegungen durch die Lande zogen und dabei zuerst Haus Berggarten, dann das Math.-Nat. und letztlich das Neusprachliche Gymnasium favorisierten. Und die CDU war es, die zweimal hintereinander die SPD bei ihren Überlegungen austrickste. Als Haus Berggarten als Gesamtschulstandort genannt wurde, beschlossen CDU und FDP, der Volkshochschule die Räume zu geben. Den zweiten Coup landeten die Christdemokraten dann im Schulausschuß. In aller Schnelle kam ein weiterer Punkt auf die Tagesordnung, und bevor SPD und Grüne merkten, worum es eigentlich ging, war der CDU-Antrag schon Teil der Tagesordnung. Wohlüberlegt hatte man den Antrag – Math.-Nat. und Neusprachliches Gymnasium zusammenzulegen – vor die Bestimmung des Gesamtschulstandortes gesetzt. Damit schlug die CDU der SPD das zweite Schnippchen: Das Neusprachliche stand als Gesamtschulstandort nicht mehr zur Verfügung. (. . .)”

 

Die beiden betroffenen Schulen – Math.-Nat. und Neusprachliches Gymnasium – protestierten gegen diese Entscheidung und stellten fest, daß „zur Zeit und in absehbarer Zukunft . . . keine Sachverhalte vorliegen, die die Fusion mit einem anderen Gymnasium notwendig machen.”

 

Die Proteste waren vergebens, es ging um die Wahl des kleineren Übels, Auflösung oder Fusion beider Schulen.

 

Nach dem Beschluß des Rates wurden eine Reihe von Vorgesprächen geführt, die die Modalitäten der Fusion betrafen, die mit Beginn des Schuljahres 1987/88 stattfinden soll. Ob und wie erfolgreich die Fusion sein wird, läßt sich noch nicht prognostizieren, aber eine Reihe von Vorteilen läßt sich bereits jetzt erkennen:

  • Das schulische Angebot für die Schüler, und zwar sowohl im Pflichtbereich als auch in den Differenzierungsbereichen, kann erweitert werden.
  • Die personellen, räumlichen und ausstattungsmäßigen Voraussetzungen verbessern sich. Dadurch kann auch das außerunterrichtliche Angebot vergrößert werden.
  • Es ergeben sich verstärkte Möglichkeiten, sowohl leistungsstarke Schüler als auch Schüler mit Lernschwierigkeiten individuell zu fördern.

So ist die Hoffnung nicht unbegründet, daß man der weiteren Entwicklung der Schule mit Zuversicht entgegensehen kann. Dies ist vor allem auch ein Verdienst von Herrn Oberstudiendirektor Schafhaus, der es in den 27 Jahren seiner Amtszeit verstanden hat, das Math.-Nat. Gymnasium so zu führen, daß es gestärkt und mit Zuversicht in sein zweites Jahrhundert gehen kann.

Schulgebäude Nordansicht