Fehlende Schulbaumittel und u. a. Änderung der Baupläne gemäß neuer Baurichtlinien waren die Hauptursachen für die Verzögerung. Die Verzögerungen bei der Planung und Erstellung des Neubaus hatten jedoch auch Vorteile. So wurden Verbesserungen der Planung insofern erzielt, als moderne pädagogische Aspekte stärker berücksichtigt wurden. Ferner wurde das Raumangebot selbst variiert. Erst im Frühjahr 1977 ging der Neubau seiner Fertigstellung entgegen. Nach dem Umzug, bei dem Lehrer und Schüler halfen, begann am 22. August das Schuljahr 1977/78 im neuen Gebäude. Allerdings mußte der Sportunterricht noch auf den Sportstätten anderer Schulen und auf Vereinsanlagen gegeben werden. 1978 hatte auch dies ein Ende, die neue Vielzweck-sporthalle war fertiggestellt.
Die Konzeption des neuen Schulgebäudes aus pädagogischer Sicht
Betrachtet man die überwiegende Zahl der Schulgebäude , die Ende des vergangenen und bis in die 60er Jahre unseres Jahrhunderts gebaut, erweitert oder nach Kriegsende wiederhergestellt wurden, so läßt sich ein Grundtypus erkennen, der gewisse „Ordnungsvorstellungen” des alten Obrigkeitsstaates nicht verleugnen kann. „Grob vereinfacht läßt sich diese Schulbaukonzeption auf die Formel reduzieren: Ein Schulgebäude besteht aus Gängen, an denen zu einer oder zu beiden Seiten Klassenräume liegen, aus Fachklassen, die wiederum durch Gänge voneinander getrennt sind, aus einer Turnhalle, einer Aula, Verwaltungsräumen und einem Schulhof.” (OStD Schafhaus)
Ungefähr seit 1960 trat verstärkt ein Wandel des gesellschaftlichen Bewußtseins im Hinblick auf die Institution Schule ein. Nicht zuletzt wurde der Wandel durch die Abkehr von einer autoritären und Hinwendung zur demokratischen Form bewirkt. Hinzu kam, daß erheblich größere Kreise der Gesellschaft als früher eine weiterführende schulische Bildung und Ausbildung für notwendig erachteten. Im Zuge dieser Bewußtseinsänderung wurde vor allem der neueren Pädagogik erhebliches Vertrauen entgegengebracht. Dies alles, verbunden mit einer intensiven Bildungswerbung, führte mit zu einem Anschnellen der Schülerzahlen, die selbst durch Neugründungen von Gymnasien nicht mehr aufzufangen waren. Baut man aber ein neues gymnasiales Schulgebäude, müssen nicht nur die momentanen, sondern auch die zukünftigen Schülerzahlen und besonders die modernen pädagogischen Erfordernisse in die Planung des Neubaus einbezogen werden. Die Zeitschrift „Entwurf und Planung” schrieb bereits 1969: „Wichtigstes Merkmal dieser Veränderung ist das Wegfallen des Frontal-Unterrichts und des Lehrers als einziger Informationsquelle. Statt dessen wird die Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit, das Seminar mit einem Lehrer oder mehreren Lehrern zur gleichen Zeit und werden die vielfältigen Lernmaschinen weite Gebiete des Unterrichtens übernehmen. Das bedeutet, daß die Jahrgangsklasse verschwinden muß und an ihre Stelle der stets wechselnde Verband gleicher Intelligenz- und Interessenbereiche verschieden alter Schüler treten wird. (…) Die vielfältigen Forderungen, die progressive Pädagogen an die neuen Schulen stellen, haben die Architekten unglaublich schnell aufgegriffen und nach kurzer Zeit bereits so etwas wie einen Kanon neuen Schulbaues entwickelt. Die geheime Losung heißt ,Flexibilität und Variabilität von Raum und Nutzung’.”
Diesen futuristischen Schulplanungen standen im Jahre 1968 aber die Realitäten entgegen. Eine Wirtschaftsrezession, die das Land Nordrhein-Westfalen, besonders aber die Stadt Mönchengladbach in ihrer Finanzkraft traf, verhinderte eine schnelle Bereitstellung der Baumittel. Die Kosten für Schulneubauten sind nämlich Ausgaben, die in erster Linie die Stadt als Schulträger aufzubringen hat, auch wenn der Schulträger vom Land Zuschüsse wegen des allgemeinen öffentlichen Interesses an Schulneubauten bekommt. Die Hergabe von Landesmitteln für Schulprojekte war aber gebunden an Schulbaurichtlinien und an vorgegebene Schulbauprogramme. Diese Richtlinien galten auch für den Neubau des Math.-Nat. Gymnasiums. Im Grunde gehen diese Richtlinien in modifizierter Form auf eine pädagogische Konzeption des Jahres 1954 zurück.
1968 hatten sich aber bereits wesentliche Veränderungen in der pädagogischen Konzeption und in der Schulorganisation ergeben, deren Realisierung in einem Gebäude alter Art kaum mehr durchführbar war. Aus diesen Grundüberlegungen heraus ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit einer engen Kooperation zwischen Schulleitung, Bauleitung und Schulverwaltung schon bei der Ausschreibung des Architektenwettbewerbs. Dies war um so mehr notwendig, wenn man bedenkt, daß die Architekten bei Schulneubauten „Neuland” betraten: „ . . . Schulbau in der Bundesrepublik Deutschland (wird) auf Jahre hinaus ein Tasten im Dunkeln sein, (weil) weder der Auftraggeber ein pädagogisches und bauliches Programm bieten kann, das Aussicht auf baldige Verwirklichung hat, noch der Architekt Lösungen anbieten kann, deren ,Richtigkeit’ er beweisen könnte.“
Dies war die Ausgangslage, als der Rat der Stadt den Schulneubau beschloß. Die Schulleitung entwickelte nun ihrerseits im Vorfeld des auszuschreibenden Architektenwettbewerbs Vorstellungen, deren Ziel es war, „durch geschickte räumliche Gruppierungen der Unterrichts- und Verkehrszonen im Innern des Gebäudes und ihrer gegenseitigen Lage zueinander sicherzustellen, daß trotz der Bindung an die Schulbaurichtlinien Schule von morgen nicht in einem Gebäude von gestern arbeiten muß.”
Um das bisherige System von Klassenräumen und dazwischenliegenden Fluren zu überwinden, wurde eigens ein „Raumgruppenschema” erstellt, d. h., alle für eine Schule benötigten Räume und Einrichtungen werden zu bestimmten Fachgruppierungen zusammengefaßt unter Berücksichtigung der auftretenden Unterrichtsabläufe und Verkehrsströme. Es berücksichtigt ferner, daß das Schulgebäude nicht nur Unterrichtszwecken dient, sondern auch Möglichkeiten zur Kommunikation bieten soll, und daß Räumlichkeiten für Freistunden der Schüler bereitgestellt werden müssen.
Als der Architektenwettbewerb dann ausgeschrieben wurde, gingen die Ergebnisse dieser Vorüberlegungen als zwingender Bestandteil in die Wettbewerbsaufgabe ein: „Bei Einhaltung der gegenwärtigen baurechtlichen und schulbau-rechtlichen Vorschriften soll das Schulgebäude nach Möglichkeit für zukünftige Strukturen und Entwicklungen des Schulwesens offen sein (z. B. Übergang vom Stammklassensystem zum reinen Fachklassensystem). Daher müssen die im Raumprogramm aufgeführten Räume zu bestimmten Gruppierungen zusammengefaßt werden. Diese geforderte Zusammenfassung ist aus dem Raumgruppenschema ersichtlich.”
Nachdem der Wettbewerb abgeschlossen worden war, wurde der erste Preisträger mit der Bauausführung beauftragt. Nun hätte man seitens der Schulleitung beruhigt abwarten können, bis der Neubau fertiggestellt worden wäre. Vergleicht man aber die Pläne des Architektenbüros mit einer Skizze des tatsächlich entstandenen Neubaus, so stellt man doch ganz erhebliche Veränderungen fest, man kann sogar sagen: Hier ist ein völlig anderes Planungskonzept realisiert worden. Schon kurz nach Abschluß des Wettbewerbs wurden in mühevoller Arbeit von den Fachkonferenzen für alle Fächer die komplexen Abläufe des Unterrichts- und Erziehungsgeschehens erneut analysiert. Die sich daraus ergebenden Erfordernisse hinsichtlich der Nutzung, Lage und Ausstattung der Unterrichtsräume, der Kommunikations- und Informationsbereiche wurden nach Abstimmung mit der Lehrerkonferenz und der Schülermitverwaltung festgeschrieben und als Raumbuch herausgegeben. Das Raumbuch wurde als pädagogischer Leitfaden, der Anregungen und Hinweise für die weitere Einzelplanung geben sollte, der Schulverwaltung, ferner der Bauverwaltung und dem bauleitenden Architekten übergeben.